Frage nach Schwerbehinderung bei Kündigung irgendwann zulässig? - News und Informationen zu Recht / Rechtsprechung im Arbeitsrecht von Fachanwalt / Rechtsanwalt der Kanzlei HAZ in Offenburg.
Das Problem, nach was ein Arbeitgeber seinen Mitarbeiter oder Bewerber fragen darf, ist für einige Aspekte geklärt, für einige nicht. In einem aktuell vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen Fall fragte der Insolvenzverwalter nach dem Insolvenzantrag eines Unternehmens die Beschäftigten nach einer eventuell bestehenden Schwerbehinderung. Der nachherige Kläger, der schon deutlich über ein Jahr im Betrieb beschäftigt war, verneinte eine Schwerbehinderung, obwohl er einen GdB von 60 aufwies. Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 und Gleichgestellte mit einem GdB von mindestens 30 genießen nach einer Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten einen Sonderkündigungsschutz gem. § 85 SGB IX. Für eine Kündigung dieser Arbeitsverhältnisse benötigt der Arbeitgeber regelmäßig die vorherige Zustimmung des sog. Integrationsamtes. Der Insolvenzverwalter kündigte schließlich auch das Arbeitsverhältnis mit dem Schwerbehinderten, der sofort Klage erhob und mitteilte, er sei schwerbehindert und die Kündigung des Insolvenzverwalters sei unwirksam, weil er nicht vor der Kündigung die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt hatte. Pech gehabt, urteilte das BAG und begründete wie folgt: „…Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung steht im Zusammenhang mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers durch die Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG, der die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl verlangt, sowie durch den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wonach eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Sie soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten. Die Frage diskriminiert behinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber solchen ohne Behinderung. Auch datenschutzrechtliche Belange stehen der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen. Infolge der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung ist es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen…“.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.2. 2012 – Az. 6 AZR 553/10 -